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Westdeutsche Zeitung, 12. Oktober 2016

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Wuppertal. „Wir feiern 25 Jahre Kinderarmut in Wuppertal.“ So steht es auf  den großformatigen Plakaten zu lesen - und entsprecheng groß ist auch im Internet die Diskussion um diesen Satz, der auf  rund 80 Werbewänden im Stadtgebiet verbreitet wurde.

Kinderarmut feiern? Was soll das? Und warum die Zahl 25 Jahre? „Die einen sind fassungslos und nennen das Ganze geschmacklos, manche bezeichnen es als Unverschämtheit“, berichtet Joachim Heiß von der Alten Feuerwache an der Gathe – der Einrichtung, die hinter der Aktion steckt. „Andere halten die Kampagne aber auch für gelungen.“

„Diese Irritation ist durchaus beabsichtigt“

Stark sind sie jedenfalls, die Reaktionen auf den Satz auf der Plakatwand, der in energisch wirkender Schrift die vermeintliche Feier ankündigt. Grellrot tritt das Wort Kinderarmut optisch aus dem schwarzen Hintergrund hervor und bleibt als Begriff im Gedächtnis.

„Die Irritation und auch die Eskalation sind durchaus gewünscht“, sagt Heiß’ Kollegin Jana-Sophia Ihle, Pädagogische Leiterin der Alten Feuerwache. Deren Kampagne  zur Anprangerung von Kinderarmut in Wuppertal schlägt schon jetzt die beabsichtigten hohen Wellen: „Genau das wollten wir“, sagt Ihle. „Wir sind selbst überrascht, wie stark das Feedback ist und wie sehr sich die Leute echauffieren. Jetzt haben wir eine richtig emotionale Reaktion.“

Natürlich soll es nicht bei der kommentarlosen Plakatierung bleiben, über die nun viele Wuppertaler sprechen. Und eigentlich sollte noch verborgen bleiben, was es mit  der Aktion auf sich hat und wer sie initiiert. Bis  Anfang kommender Woche wollte die Alte Feuerwache „die Diskussion über die Plakate noch am Köcheln halten“, so Ihle. Doch der WDR hatte gestern bereits den Hintergrund bekannt gemacht, sehr zum Bedauern der Alten Feuerwache.  Diskutiert wird trotzdem, und das Thema Kinderarmut rückt wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Darum geht es den Aktiven, die seit 1991 an der Gathe für die Menschen im Stadtteil arbeiten. "Wir haben als Team zusammengesessen und überlegt, wie wir unser 25-jähriges Bestehen begehen können, ohne uns gegenseitig zu beweihräuchern", sagt Ihle, "sondern stattdessen unserem  Auftrag gerecht werden, Misstände zu beseitigen und die Lebensverhältnisse in unserem Viertel zu verbessern.  Denn auch wenn die Alte Feuerwache schon einiges bewegt hat: „Eigentlich haben wir keinen Grund zu feiern“, sagt Heiß, „die Kinderarmut ist nach wie vor groß.“

So sei es zu Idee gekommen, in anderer Weise auf Probleme in der Stadt aufmerksam zu machen. Entstanden ist das Projekt in Zusammenarbeit mit einer Elberfelder Werbeagentur „die uns ehrenamtlich mit ihrem Know-How zur Verfügung gestanden hat“, berichtet Ihle. „Das sind professionelle Leute, die das Thema Kinderarmut genauso aufregt wie uns.“

 

Zweite Plakataktion mit Auflösung ab dem 20. Oktober

„Wir werden uns am 20. Oktober outen und die Auflösung liefern“, kündigt Joachim Heiß an.

Dann wird es in der ganzen Stadt eine zweite Plakataktion "mit einer noch höheren Auflage geben, in der  wir erklären, wer wir sind, und was wir bezwecken."  Was dann auf den Werbewänden zu sehen sein wird, wird aber wirklich noch nicht verraten.

 

Von Claudia Kasemann

Wuppertaler Rundschau, 12. Oktober 2016

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Zynismus pur: Wie kann eine Einrichtung, die es nur gibt, weil es Kinderarmut gibt, auf ihr 25-jähriges Bestehen aufmerksam machen? Vielleicht genau so.

Wuppertal. "Wir feiern 25 Jahre Kinderarmut in Deutschland." Seit kurzem sind diese Plakate an verschiedenen Stellen in der Stadt zu sehen. Und kaum dass sie hingen, wurde auch schon diskutiert. Ist der Text so gelungen? Ist er angemessen? Bereits Anfang der Woche wurde vor allem in den Sozialen Medien über die Kampagne hitzig debattiert. Von Nicole Bolz

Hinter der Aktion steckt die Alte Feuerwache an der Gathe, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen begeht. "Als wir im Frühjahr überlegt haben, ob wir aus diesem Anlass feiern sollen, war uns eigentlich nicht danach", sagt Joachim Heiß, Leiter der Alten Feuerwache. Schließlich bietet das Thema ja keinen Grund für ausgelassene Partystimmung. Stattdessen wollte man lieber die Kinderarmut, die die Einrichtung auf verschiedenen Wegen im Quartier bekämpft, noch einmal in den Fokus rücken.

Und dazu durfte das Motiv auch drastischer ausfallen. "Uns war bewusst, dass wir mit der Kampagne provozieren", sagt auch Jana Ihle, pädagogische Leiterin der Alten Feuerwache. "Aber wenn wir damit eine ernsthafte Diskussion in Gang bringen, die nicht sofort wieder verpufft, dann ist es das wert."

Eigentlich sollte zum jetzigen Zeitpunkt aber noch gar nicht verraten werden, dass hinter den Plakaten die Alte Feuerwache steckt. Erst in einem zweiten Aufschlag Ende kommender Woche sollte dies mit weiteren Plakaten auch sichtbar werden. Doch die Hintergründe blieben nicht so lang geheim, also bekannte man sich heute Mittag (12. Oktober 2016) an der Gathe dazu. "Wir hatten Innerhalb einer halben Stunde so viel Medien-Anfragen", erzählt Ihle, "da müssen wir sonst ganz schön viel für trommeln."

Und das liegt ihrer Meinung nach eben auch an dem zynischen Ton. "So traurig es ist, aber an Bilder von hungrigen Kindern haben wir uns alle schon gewöhnt. Die blenden wir direkt auch wieder aus. Bei den Plakaten hat plötzlich jeder eine Meinung." Joachim Heiß ergänzt: "Es soll kein Schuss gegen die Stadt sein. Kinderarmut ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Aber wir sind täglich damit in der Alten Feuerwache konfrontiert – und sehen, was das bedeutet. Wir erhoffen uns endlich, klare Bekenntnisse von der Politik, Kinderarmut auch wirklich zu bekämpfen."

Erdacht hat die Plakat-Kampagne übrigens die Agentur "Die Guerillas" aus Wuppertal – unentgeltlich.

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